Die Auswirkungen von Corona auf den Dritten Sektor

Wie hat Corona die Arbeit und Rekru­tie­rung im dritten und gemein­wohl­orien­tierten Sektor verändert?

Im Sommer haben wir eine qualitative Umfrage unter unseren Kund*innen durchge­führt, um besser zu verstehen, wie sich Corona auf Organisationen im Dritten Sektor auswirkt. Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf das Thema Rekrutierung und Teamspirit gelegt. Wie hart trifft das Virus NGOs, Stiftungen und Sozialunternehmen? Welche Themen beschäftigen die Organisationen am meisten? Und war’s das jetzt erst mal mit Rekrutierung und Wachstum? Unsere Kolleginnen Sophie Fessel und Carola von Peinen sind die Autorinnen des Artikels.

Spendenvolumen und Auftragslage bleiben konstant, Biobranche und „Nachhaltigkeit“ verzeichnet großes Wachstum

Zunächst wurde deutlich, dass fast niemand mit einem Rückgang von Spenden zu kämpfen hatte. Bis auf wenige Ausnahmen und einzelne Ausfälle sehen die meisten eher einen Anstieg in der Spendenbereitschaft. Dieses Fazit zieht auch der Deutsche Fundraising Verband in seiner Umfrage zur COVID-19-Situation in NPO und Fundraising. Es komme zwar weniger Geld von Konzernen, die öffentlich Finanzierung sei aber gesichert. Viele nannten die gute Beziehung zwischen Förderpartner*innen trotz weniger persönlichem Kontakt als Stabilitätsfaktor. Die meisten Projekte liefen weiter, einzelne verzögern sich zwar, andere können aber auch ausgeweitet werden. Bei all der Stabilität bleibt allerdings der Blick in die Zukunft ungewiss. Daher werden neue Partnerschaften gründlich geprüft.

Während NGOs und Stiftungen vor allem mit den Herausforderungen der Technik beschäftigt waren, aber kaum finanzielle Schwierigkeiten hatten, mussten Sozialunternehmen oft ums Überleben bangen. Sie fallen durchs Raster der Rettungsschirme, da diese nur gewinnbringende Unternehmen unterstützen. Sozialunternehmen reinvestieren Überschüsse allerdings „wieder in die gesellschaftliche Wirkung“ und können zurzeit auch nur erschwert neue Einnahmen generieren (SEND 2020).

Einen echten Schub gab es in der Krise für den Absatz von Biolebensmitteln. „Jede Krise führt zu Verunsicherung und es gibt immer mehr Menschen, die ihr gewohntes Verhalten hinterfragen. Wir haben das gespürt, vor allem bei Direktvermarktern und im Bio-Handel, dass sich mehr Menschen besonders für die lokale heimische Biolandwirtschaft interessieren“, sagt Jan Plagge, Präsident vom Bioland e.V.

Nachhaltig geführte Unternehmen erweisen sich als deutlich krisenresilienter, wie eine Studie von UnternehmensGrün e.V., dem Unternehmerverband für nachhaltiges Wirtschaften, im Mai herausfand. Aber auch die klassische Wirtschaft reagiert mit einem verstärkten Fokus auf Maßnahmen zur Co2- Reduktion und sucht Nachhaltigkeitsexpert*innen auf oberster Ebene, so ein Partner des renommierten Executive Search Dienstleisters B.A.U.M.

Mehr Team Spirit durch Homeoffice? Ja – aber die Kolleg*innen fehlen trotzdem

Wie von einer schlechteren Auftragslage würde man vielleicht auch von einer angespannten Stimmung innerhalb der Organisationen ausgehen. Tatsächlich scheint die Krise mit all ihren Komplikationen aber eher zusammenzuschweißen. Die Remote-Arbeit schafft neue Chancen zur intensiven Kommunikation, z.B. wenn die Teams über mehrere Länder verteilt sind. Sie weckt auch Spaß an neuen Tools und Formen der digitalen Zusammenarbeit, wie Holger Bauer von Don Bosco Mondo berichtete. Die recht plötzliche Umstellung auf Homeoffice-Arbeitsplätze für alle Mitarbeitenden bedeutete erst einmal hohen Zeitdruck. Doch dann wurde erfreulich schnell deutlich „wie gut und kreativ wir zusammenarbeiten können und schnell wieder arbeitsfähig waren“.

Der persönliche Kontakt fehlt trotzdem. Und nicht jede Person bevorzugt das Arbeiten von Zuhause aus. Die meisten Führungskräfte wollen die Möglichkeiten weiter ausbauen und führen beispielsweise Workshops und Reflektionsrunden zur Arbeitssituation durch. Trotz allem konnten viele der Befragten festhalten, dass eine gemeinsame Handlungsfähigkeit entdeckt wurde, auch über Unternehmensgrenzen hinaus. Das stärkt den Zusammenhalt und die Motivation in der Szene.

Der Zwang zum digitalen Arbeiten durch Corona hat deutlich gemacht, wie gut die einzelnen Organisationen im IT-Bereich aufgestellt sind. Jetzt haben alle verstanden, dass es digitale Lösungen und Strategien braucht. Leider fehlen für die Umstellung häufig die zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Die Akteur*innen des dritten Sektors arbeiten trotzdem stark an neuen Konzepten und wollen die Option, Remote zu arbeiten, bestehen lassen. Wer schon vorher Online-Angebote zur Verfügung hatte, konnte einen Anstieg in der Nachfrage verzeichnen. Andere sind dabei, Produkte zu entwickeln. Währenddessen gewöhnen sich die Mitarbeitenden an die neuen Kommunikationswege und die Arbeitskultur passt sich an.

Gute Bewerber*innenlage und eine neue Welle an Sinnsucher*innen

Bei dem Thema Rekrutierung konnten alle Befragten glücklicherweise feststellen, dass keine Projekte gestoppt werden mussten. Auch wenn es Budgetkürzungen gab, haben sich diese nicht auf das Personal ausgewirkt. Im Gegenteil, es konnten zum Teil sogar mehr Stellen geschaffen werden. Auf die Ausschreibungen gab es dann auch reichlich spannende Bewerbungen. Eine interessante Beobachtung: Scheinbar wurden durch Corona mehr Personen als vorher auf die „Sinnsuche“ getrieben, sodass die befragten Organisationen auch einige Bewerbungen „von der anderen Seite“ bekamen.

Die Umstellung auf digitale Rekrutierung bereitete den Befragten kaum Probleme. Sobald sie sich auf die neuen Prozesse eingestellt hatten, konnten sie sogar die Vorteile davon genießen. Dazu zählen schnellere Verfahren und neue Möglichkeiten bei der Durchführung von Vorstellungsgesprächen. Zum Beispiel können mehr Kolleg*innen involviert werden und somit einen Eindruck von dem*der Kandidat*in bekommen, aber auch selbst für Fragen zur Verfügung stehen. Rolf Huber von der Siemens Stiftung äußerte dazu, dass er sogar „positiv überrascht war, wie man trotzdem ein Bild von der Persönlichkeit der Kandidat*innen bekommt“.

Alle planen auch in der nahen Zukunft weitere Stellen zu besetzen. Insbesondere politisch agierende Player stellen sich für das kommende Jahr der Bundestagswahl noch stärker auf. Dazu sollen noch bessere Prozesse für die Online-Rekrutierung und -Einarbeitung geschaffen werden.

Fazit: Gestärkt in die Zukunft

Insgesamt konnte fast immer ein positives Fazit für die vergangenen Monate gezogen werden:

  • Kaum Rückgang im Spendenvolumen und in der Auftragslage.
  • Die Beziehungen zu den Förder*innen sind stabil, obwohl weniger persönlicher Kontakt möglich ist.
  • Die erzwungene Digitalisierung zeigt die Dringlichkeit sich ihr zu widmen auf und hat gleichzeitig in kürzester Zeit erfolgreiche Modernisierungsmaßnahmen hervorgebracht.
  • Die Nachfrage nach digitalen Produkten und Angeboten steigt.
  • Es werden neue Prozesse für die digitale Rekrutierung und Einarbeitung entwickelt.
  • Trotz Budgetkürzungen mussten keine einschneidenden personellen Veränderungen durchgeführt werden.
  • Obwohl der persönliche Austausch im Team fehlt, ist der Teamzusammenhalt gestiegen.
  • Mehr Aufmerksamkeit in der gesamten Gesellschaft für zivilgesellschaftliche Themen.

Wir haben uns sehr gefreut, dass die meisten unserer Kund*innen bei allen Unwägbarkeiten positiv in die Zukunft blicken. Veränderungen werden eher als Chancen, und nicht als Hindernisse wahrgenommen.

Natürlich wollten wir auch unbedingt wissen, wie wir jetzt unterstützen können. Das Ergebnis: Unsere Kund*innen wünschen sich Impulse und Austausch-Möglichkeiten. Diese wollen wir ab 2021 in einem virtuellen Workshop-Format anbieten. Sagen Sie uns, welches Thema Ihnen unter den Nägeln brennt – dauert nur 1 Minute!

Anbei finden Sie unsere Quellen sowie weitere Links zu Studien und Artikeln zur aktuellen Situation im Sektor

Bundesdeutscher Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management e.V. (B.A.U.M., 2020): In über 45% der Unternehmen hat Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen. Online verfügbar unter:  https://www.baumev.de/

Deutscher Fundraising Verband e.V. (DFRV, 2020): Umfrage zur COVID-19-Situation in NPO und Fundraising – Ergebnisse.

Dworschak, Stefan (17.08.2020): Lehren der Coronazeit. „Die Stiftung“ Media GmbH. Online verfügbar unter: https://www.die-stiftung.de

Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND, 27.03.2020): Herausforderungen für Sozialunternehmen in der Corona-Krise. Online verfügbar unter: https://www.send-ev.de/2020-03-27_herausforderungen-f%C3%BCr-sozialunternehmen-in-der-corona-krise/

Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND, 07.05.2020): Mit uns aus der Corona-Krise – Soziale Innovationen erhalten und fördern. Online verfügbar unter: https://www.send-ev.de/2020-05-07_mit-uns-aus-der-corona-krise-soziale-innovationen-erhalten-und-f%C3%B6rdern/

UnternehmensGrün e.V. (13.05.2020): Umfrage: Nachhaltige Unternehmen resilienter in der Krise. Online verfügbar unter: https://www.unternehmensgruen.org